Tusche auf Papier

2008 BIS 2014

24 x 30 cm / 25 x 32,5 cm

"In meinen Zeichnungen denke ich über Interaktionen nach. Menschliche Figuren und Tierwesen stehen zueinander in Beziehung. Über die Linien findet ein Austausch statt, ein gegenseitiges sich Erkennen, eine Verwunderung oder eine Abweisung im ansonsten weissen, leeren Raum. Die Begegnungen sind mal traurig, mal friedlich, sie können auch als intime Neigung zueinander gelesen werden. Manchmal isoliere ich ein Tier und stelle es alleine in Beziehung zum leeren Blatt. Ich wähle Tiere als Figuranten. In ihnen erkenne ich etwas Unschuldiges, sie stehen ausserhalb unserer menschlichen, moralischen Wertung.
Die Zeichnungen sind wie Momentaufnahmen einer Geschichte, die Linien wie Worte, sie tragen eine konzentrierte Art von zeichnerischer Erzählhaltung."
Anna Rudolf

Text von Claus-Pierre Leinenbach über die Zeichnungen von Anna Rudolf

"Wenn ich eine ihrer Zeichnungen sehe, stelle ich mir vor, wie es beginnt mit dem
Eintauchen der Feder in das schwarze Tintenfässchen und dem darauffolgenden
Auftauchen einer Linie im weissen Papier. Dann verwundere ich mich darüber, wie es plötzlich sein kann, dass diese erste Linie wieder eine andere Linie nach sich zieht und beide sich gegenüber dem weissen Raum in ein gemeinsames Verhältnis setzen, welches immer so faszinierend unbestimmbar bleibt. Manchmal erscheint es mir so, als ob sich Anna’s Linien im unendlichen Raum befinden und eigentlich gar nicht mehr auf dem Papier sind, sich dort sozusagen für die kurze Dauer einer zeitlich begrenzten Existenz aufhalten, um sich irgendwann doch wieder davon zu lösen, und sich in ihr Tintenfässchen zurückziehen, als wären sie nur ein Aufblitzen von Schwarz im Weiss gewesen.
Auf ein scheinbar inhaltslos-freies Gekritzel ihrer früheren Bleistiftzeichnungen folgt in
späterer Zeit eine Reihe von Tintenzeichnungen auf denen manchmal tierhafte Wesen und
menschähnliche Gestalten sich miteinander beschäftigen und aufteinander reagieren. Sie
sind dort, um gefüttert zu werden mit feinen Tintenpünktchen, oder sie erproben ihre
kraftlosen, neugeborenen Glieder im luftleeren Raum. Man staunt und lacht und und sollte diesen Wesen auf eine besondere Art und Weise begegnen."
Claus-Pierre Leinenbach, Oktober 2014