Die Person im Tisch

BEAM ON Plattform für Video und Neue Medien im kult.kino camera, Basel, 2006

zweiteilige Rauminstallation (Dia- und Videoprojektion)
Text von Andy Blättler, Februar 2006

Die performative Rauminstallation 'Die Person im Tisch' von Anna Rudolf schliesst ihre technische Apparatur auf bezaubernde Weise und en passant mit den Kinogängern des kult.kino camera kurz. Ein Diaprojektor wirft ein seltsam skulpturales Bild an die Wand: Am Boden liegt verdreht ein Tisch auf seiner Tischplatte, dazwischen ausgestreckt eine Person, deren Identität nicht ersichtlich ist.

Plötzlich geschieht Folgendes: Ein Besucher läuft zwischen die Wand und den Diaprojektor und unterbricht mit seinem Körper dessen Projektionsstrahl. Sichtbar wird ein bewegter Bilderloop, der ähnlich einer gemächlich über den Boden gleitenden Filmkamera einen Raum mit verschiedenen Alltagsgegenständen zeigt. In der faszinierenden Langsamkeit des vorbeiziehenden Bildmaterials wird für den Betrachter erkennbar, dass der Loop aus einzelnen, aneinandergeklebten schwarz-weiss Fotonegativen besteht. Stark aus sich herausleuchtend gewinnen die einzelnen Gegenstände in ihrer fotografischen Inversion eine sehr selbstbewusste und eigentümliche Präsenz. Verlässt der Besucher nun die Mitte zwischen Wand und Diaprojektor – entlässt er also seinen Schatten aus dem Zwielicht des Projektionsstrahls - entschwindet auch die imaginäre Bildabfolge des Loops. Das statische Bild des umgekehrten Tischs mit der Person wird wieder sichtbar – eine merkwürdige, nachdenklich machende Figur der Wahrnehmung.

Mit dieser simplen Konstellation von ,Die Person im Tisch’, die den passierenden Kinogänger explizit als Medim verlangt, hat Anna Rudolf an der Schwelle zum Kinosaal eine spannende Auseinandersetzung mit der Medialität von Körper, Film und Fotografie generiert. Der Betrachter wird zum Schnitt durch Raum und Zeit, zur medialen Lücke, der erst mit seinem dazwischen kommenden Körper die Sichtbarkeit des eigentlich dauerpräsenten Loops produziert. Die einzelnen Bilder dieses Loops – (sind sie fiktiv, real; sind sie Vorstellungen der Person im Tisch oder vielleicht des anwesenden Kinogängers selbst?) – können als diskontinuierliche Gedankenfetzen oder als fragmentarische Zeiträume eines Gedächtnisses wahrgenommen werden, dessen gespenstische Abwesenheit nachträglich in der Interaktion mit dem Kinogänger aufgehoben wird. Als medialer Schnitt in Raum und Zeit widerspiegelt der Betrachter das Reproduktionsprinzip der Kinematografie, im Loop sinnlich fühlbar dank der rauhen Klebestellen zwischen den einzelnen schwarz-weiss Negativen: Bilder im Kino entstehen dank des sich sublimal der Wahrnehmung entziehenden Zwischenraums – dem Balken ziwschen den Filmbildern.

Am beiläufigen Ort des Kinofoyers wird so eine vielschichtige assoziative Reflexion über die Flüchtigkeit der scheinbar zeitlos gültig stillgestellten Bilder der Medien Film und Fotografie möglich. Als prekäres Medium steht der Kinogänger am Ursprung der Produktion des Beziehungsgeflechts zwischen den verschiedenen Bildern.